Auf der Straße spielen die schönsten Geschichten des Hip Hop. Bestes Beispiel dafür war zuletzt ein gewisser Curtis Jackson, der sich mit krimineller Vergangenheit und diversen Einschusslöchern im Körper als 50 Cent in die Weltöffentlichkeit rappte. Solche Aschenputtelgeschichten des Raps funktionieren immer wieder. Fast zeitgleich wie 50 durchlebt ein Junge namens Jayceon Taylor an der Westküste das Märchen vom Ghettokind zum Rapmillionär.
Geboren Anfang der Achtziger in den Straßen des Stadtteils Compton in Long Beach, Kalifornien, liegt vor Jayceon Taylor eine Zukunft zwischen Drogendealerei und Gangbanging. Jayceon wächst unter acht weiteren Geschwistern meist ohne Vater auf. Wegen seiner Energie und Aufgewecktheit gibt ihm seine Großmutter, bei der er den Großteil seiner Zeit verbringt, den Namen Game. Die spielerische Leichtigkeit, mit der Game seine Umwelt entdeckt, wird jedoch bald von der harten Wirklichkeit verdrängt. Mit sieben Jahren kommt er gemeinsam mit seiner Schwester in eine soziale Einrichtung, die er selber Jahre später als getarnten Knast beschreibt.
Während der Junge seine Zeit quasi hinter Gittern verbringt, gerät Compton durch ein einziges Album in den Fokus des Rap-Genres. Eine Crew namens N.W.A. sorgt mit ihrer Platte "Straight Outta Compton" im ganzen Land für Furore und wagt den ersten Versuch, das herrschende Ungleichgewicht zwischen Küsten in Sachen Hip Hop auszugleichen. So erlebt Game in den Straßen von Long Beach erste Videodrehs seiner neuen Helden Dr. Dre, Ice Cube, MC Ren und Eazy E. Mit Vierzehn verlässt er schließlich die vermeintliche Besserungsanstalt und sieht in dem Einstieg in eine Gang die einzige sinnvolle Beschäftigung. Zu dieser Zeit ist der Kampf der verfeindeten Gangs Bloods und Cribs im vollen Gange. Wegen seinem Bruder, der bereits im großen Stil das Leben eines Gangsters pflegt, schließt er sich den Bloods an. An der Compton University muss er sich aber zwangsläufig mit den Erzfeinden abfinden, denn die Schule liegt im Revier der Cribs.
Game steht aber am Beginn einer respektablen Basketballkarriere, er verschafft sich mit seinen sportlichen Leistungen Respekt. Den Rufen verschiedener College-Stipendien will er nicht folgen, er widmet sich nach dem schmerzhaften Tod zweier seiner Brüder zur Gänze dem Gangleben aus Autodiebstählen, Schießereien und Raubüberfällen. Aus der aktiven Zeit als Basketballspieler bleibt schließlich nur noch sein Spitzname Chuck Taylor übrig. Ein gleichnamiger Basketballer hatte gegen Anfang des 20. Jahrhunderts der Marke Converse zu einem der erfolgreichsten Schuhmodelle aller Zeiten verholfen und ist seitdem in der Hall Of Fame verewigt.
Gerade volljährig übernimmt Game mit seinem Bruder den gesamten Drogenhandel in seinem Bezirk und hat neben einer Menge Kohle leider auch einen Haufen Gegner am Hals. Am ersten Oktober 2001 kommt es zu einer folgenschweren Begegnung, die ihn beinahe das Leben kostet. Am späten Abend klingelt es an der Tür seines Hauses, das als Umschlagsplatz für den florierenden Drogenhandel fungiert. Doch diesmal wollen die abendlichen Besucher für ihren Stoff kein Geld bezahlen und schießen Jayceon Taylor mit mehreren Schüssen über den Haufen. Blutüberströmt schafft es Game, den Notruf zu verständigen und kommt ins Krankenhaus, wo er nach einem Tag im Koma im Krankenbett aufwacht. Dort beginnt das große Nachdenken über das eigene Leben.
Ans Krankenbett gefesselt, setzt sich Game das erste Mal genauer mit dem Hip Hop-Genre auseinander. Natürlich hat er schon zuvor Rap gehört und sich wegen seiner Herkunft mit der Bewegung auseinandergesetzt, aber nach seiner Nahtoderfahrung sieht er im Rap die einzige Alternative für den Erwerb des täglichen Brots. Gleich bittet er daraufhin seinen Bruder, ihm alle wichtigen Veröffentlichungen des Genres zu besorgen: Jay-Zs "Reasonable Doubt", Nas' "Illmatic", Biggies "Ready To Die", alle Kool G Rap-Scheiben und natürlich die Meilensteine der heimischen Küste – Ice Cubes "Death Certificate", Dres "Chronic", "Doggystyle" von Snoop Dogg und Pacs "All Eyez On Me".
Während der wenigen Monate Bettlägrigkeit saugt er diese Platten förmlich auf. Er beginnt, Texte zu schreiben, die Anfangs einem Potpourri aus den vorangegangenen Legenden ähneln, aber mit der Zeit ihren eigenen Stil entwickeln. Endlich wieder auf den Beinen, hat sich Game innerhalb von drei Monaten zu einem respektablen Rapper gewandelt und überzeugt seine zuerst amüsierten Freunde von seinem Talent. Von da ab will sich Game als Rapper beweisen und beschreibt sich selbst als einen "Westcaost-Nigger mit einem Eastcoast-Flow".
Als ob das nicht schon Märchen genug wäre, gelangt ein Tape von Game in die Hände von Dr. Dre. Der will den unbekannten Rapper treffen. Für Game ist das natürlich eine Ehre, die er schwer realisieren kann. Dre war als Kopf hinter N.W.A. einer seiner Jugendhelden, der in Compton wie ein Gott verehrt wurde. Und jetzt steht Game vor diesem Urgestein des Westcoastsounds. Im Studio erwartet Game gleich die erste Hürde. Er soll mit Busta Rhymes freestylen. Er kann überzeugen, und Dre nimmt ihn für sein Aftermath-Label unter Vertrag. Wie sich später herausstellt, ist Dre nicht der Einzige, der sich für den aufstrebenden Star aus den Straßen von Compton interessiert. Alle großen Namen machen Game Avancen, die er jedoch dank seines mehr als perfekt passenden neuen Boss Dr. Dre ausschlägt.
Gemeinsam machen sich Game und Dre daran, die Welt erneut auf die Westküste aufmerksam zu machen. Nach diversen Mixtapeauftritte und einem Album, das lediglich zwei Jahre alte Aufnahmen beinhaltet, überschlägt sich der Hype um den Newcomer. Die Tatsache, dass der Superstar 50 Cent The Game in seine Crew G-Unit aufnimmt, macht endgültig klar, dass sich mit dem für Anfang 2005 angesetzten Album etwas ganz Großes ankündigt.
Wegen seiner tiefen Verehrung von N.W.A. will Game sein Debüt "Nigga With Attitude Vol. 1" nennen, darf diesen Namen schließlich aber nicht benutzen. Als "The Documentary" kommt die Platte dann in den Handel. Auf den 70 Minuten tummelt sich alles, was derzeit Rang und Namen hat, trotzdem lässt die Scheibe dem eigentlichen Protagonisten Zeit und Raum, seine Eigenheiten unter Beweis zu stellen. Auf Beats von Dre, Kanye West, Just Blaze, Hi-Tek, Havoc und Timbaland brilliert er neben Mary J. Blige, 50 Cent, Eminem, Nate Dogg, Busta Rhymes und Faith Evans und tritt in die Fußstapfen seiner Jugendhelden 2 Pac, Dre und Snoop Dogg.
Nach nicht einmal drei Jahren als aktiver Rapper hat The Game den Respekt der wahren Größen auf seiner Seite und spielt in der Liga der Stars der Szene mit. Dementsprechend verkauft sich das Debüt wie der Teufel. Wie bei seinem Kollegen Fiffty klettern die Verkaufszahlen in der ersten Woche auf über 600.000 in den Staaten. Vom Erfolg verwöhnt, lassen die ersten Neider natürlich nicht auf sich warten. In den schon länger gärenden Streitigkeiten mit Joe Budden, Memphis Bleek und Yukmouth stellt sich Game natürlich auf die Seite seiner G-Unit Kollegen und wettert ordentlich gegen Ja Rule und Murder Inc. Die Nachricht, dass sein Haus in Compton dem Erdboden gleichgemacht wurde, entkräftet Game zwar gleich, doch dank seiner kriminellen Vergangenheit gibt es nicht nur Menschen, die ihm seinen Erfolg gönnen. Einen kleinen Dämpfer erhält seine Heldenverehrung hinsichtlich Jay-Z. Der schickt einen Freestyle, der in Richtung Game geht, bei der Radioshow von Funkmaster Flex über den Äther. Doch bevor sich die Fronten verhärten, sprechen sich beide ihren Respekt aus und die Sache ist gegessen.
Als ob ein millionenfach verkauftes Album nicht genug wäre, startet Game noch ein weitaus größeres Projekt. The Black Wall Street nennt er die Bewegung, die neben Plattenfirma auch mit einer Klamottenlinie, einem Filmproduktionsstudio und einer Non Profit Organization aufwahrtet. Game ist darauf erpicht, seiner Community etwas zurückzugeben. Black Wall Street will sich für Ganginterventionen einsetzen und soziale Wohnungen bereitstellen. Rap soll aber bei all den neuen Verpflichtungen nicht in den Hintergrund geraten. Schließlich ist das der Job, den sich Jayceon Taylor nach seiner Karriere als Drogendealer ausgesucht hat. Oberstes Ziel ist für ihn dabei die finanzielle Absicherung seiner Familie. Allen voran das Wohlergehen seines einjährigen Sohnes Harlem Caron Taylor, dessen Geburt Game als den glücklichsten Tag seines Lebens bezeichnet.